Umsatzsteuersatz für Gaststätten

Veröffentlicht am 31.08.2023 in Arbeit & Wirtschaft

offener Brief des SPD-Ortsverein Altenburg

Wie wir lesen und hören, plant die Ampelkoalition in Berlin die Absenkung der Umsatzsteuer für Gaststätten auf 7 % ab 01.01.2024 aufzuheben und wieder auf 19 % anzuheben. Bei der letzten Sitzung des Ortsvereins Altenburg (in einer Gaststätte) gab es an diesen Plänen heftige Kritik.

I.

Gastwirte hatten zu Corona-Zeiten aufgrund der Kontaktsperren erheblich weniger Umsatz. Dies war der Anlass der Steuersenkung, um ein Signal der Unterstützung durch den Staat zu geben.

Zum Glück hat die SPD mit dem Versprechen einer ganz erheblichen Erhöhung des Mindestlohnes die letzte Bundestagswahl gewonnen und führt die aktuelle Regierung an. Auch die sehr deutliche Erhöhung des Mindestlohnes tragen die Gastwirte mit. Da Fachkräfte und sogar Aushilfskräfte nur mit Anstrengungen zu bekommen sind, werden regelmäßig auch in Gastwirtschaften Löhne deutlich über dem Mindestlohn gezahlt. Dieser Umstand ertüchtigt die angestellten Arbeitnehmer, Steuern und gemeinsam mit den Arbeitgebern auch Sozialversicherungsabgaben in einem deutlich gesteigerten Umfang zu zahlen.

Wie uns der anwesende Wirt sagte, können die gestiegenen Kosten dabei regelmäßig nicht eins zu eins auf die Verbraucherpreise umgelegt werden, so dass das wirtschaftliche Umfeld für Gastwirte schwieriger geworden sei. Allein im Personalkostenbereich seien die Kosten in der Gastronomie um 21 % gestiegen. Ähnliche Kostenaufwüchse seien durch die Inflation bei Lebensmitteln über 17 % und bei Energie über 21 % gestiegen. Im Jahre 2022 hätten die Gewinne in der Gastronomie immer noch unter dem Vergleichsquartalen von 2019 gelegen.

Für manche von uns schwer einzusehen und auch zu vermitteln ist der Umstand, dass Verkäufe und Umsätze außer Haus weiterhin mit 7 % versteuert werden sollen, der Verzehr in der Gaststätte hingegen demnächst wieder mit 19 %. Wir sehen hier eine gravierende Wettbewerbsverzerrung der Gastronomiebranche im Vergleich zu u.a. Supermärkten, Tankstellen und Lieferdiensten, die den reduzierten Satz behalten dürfen. Man mag einwenden, bei einem Gaststättenbesuch überwiege die Dienstleistung den Verzehr, daher sei dies in Ordnung. Tatsächlich gehen wir aber nicht wegen der freundlichen Bedienung in die Gaststätte, sondern weil wir uns auf das Essen und die Getränke freuen. Im Übrigen zahlen Hoteliers für Übernachtungen auch nur 7 % Umsatzsteuer, obgleich dort der Dienstleistungscharakter evident ist.

In einer Umfrage im ländlichen Raum der neuen Bundesländer wurde die Frage gestellt, was die Menschen im Vergleich zu DDR-Zeiten am meisten vermissen. Die drei häufigsten Antworten waren: die Kneipe in jedem Dorf bei den Männern, der Konsum als Treffpunkt bei den Frauen und die jährliche LPG-Versammlung. Allen Antworten ist gemein, dass Rituale des sozialen Zusammenhalts fortgefallen sind und eine Vereinzelung zunimmt. Vor diesem Hintergrund sind Gaststätten als Orte des gesellschaftlichen Zusammentreffens besonders wichtig und haben eine soziale Funktion. Dies unterscheidet sie von anderen Produktionsstätten und dem üblichen Einzelhandel. Gaststätten verdienen daher eine Entlastung durch den Staat.

Wenn zudem durch eine betriebsbedingte Umlage der Umsatzsteuersteuererhöhung auf Gastronomiepreise Restaurantbesuche für große Teile der Bevölkerung unerschwinglich werden, hat dies nicht nur Auswirkungen auf die Kulinarik und das soziale Leben, sondern auch auf die Beschäftigungssituation in der Branche. Nach allem, was man liest und auch vor Ort hört, befinden sich die Gaststätten in einer Abwärtsspirale aus Umsatzeinbußen durch fernbleibende Gäste einerseits und einer Kostenexplosion andererseits, da neben Löhnen, Waren- und Energiekosten auch alle zuliefernden Dienstleistungsbranchen wie u.a. Reinigung und Entsorgung, Ausstattung, Wartungsarbeiten im IT- und Hardwarebereich enorm angestiegen sind.

Wir sind uns vermutlich einig, dass es zu einer guten Arbeits- und Finanzpolitik gehört, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es mittelständischen Unternehmen ermöglicht, Gewinne zu erwirtschaften und Steuern zu zahlen. Davon profitieren auch die dort beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der reduzierte Umsatzsteuersatz ist unserer Auffassung nach keine ungerechtfertigte Subvention, sondern verhindert die Erfahrung einer gastronomischen Wüste in Deutschland, in der neben Trinkhallen für das einfache Volk nur vereinzelt kulinarische Tempeloasen den Reichen und Schönen Labsal bieten. Eine solche augenfällige gesellschaftliche Spaltung sollten wir verhindern.

Daher bitten wir Euch, diese Aspekte zu berücksichtigen, und fordern Euch auf, aktiv darauf hinzuwirken, dass es bei einer Umsatzsteuer für Gaststätten in Höhe von 7 % bleibt.

II.

Unseren Neumitgliedern erzählen wir regelmäßig, dass man in einer Partei politisch etwas bewirken und mit seinen Ideen Einfluss auf die Meinungsbildung zumindest der parteiangehörigen Entscheidungsträger nehmen könne. Vor diesem Hintergrund verleihen wir unserer Erwartung Ausdruck, dass unser Anliegen eine zeitlich und inhaltlich angemessene Antwort erfährt, sei es schriftlich, telefonisch oder im besten Fall gar in der persönlichen Diskussion. Wir setzen unsere Hoffnung in unsere Partei, dass ihr diese Kommunikation mit der Basis gelingt. Vielen Dank, dass Ihr unsere Meinung zur Kenntnis nehmt und Euch mit unserer Argumentation beschäftigt.

Mit herzlichen und solidarischen Grüßen

Frank Rosenfeld Michael Wolf